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  • AutorenbildHilda Steinkamp

Jazzige Fantasien im Sommergarten der Villa Schöningen

JAZZ DUO FESTIVAL mit Oli Bott & friends in Potsdam


Der 2. Tag im Juli 2022, 30+ sommerliche Grade am frühen Nachmittag. Zu heiß für Kultur im Garten?

Heiße Klänge ja, von Vibraphon, Kontrabass, Klavier, Keyboard und Kehle. Doch das Publikum ganz relaxed auf Liegen, Klappstühlen oder Picknickdecken unter dem schattigen Blätterdach uralter Bäume, die Klangkünstler und ihre Instrumente sonnengeschützt unter weißen Segeltuchdreiecken, von Stamm zu Stamm gespannt, darauf das Kühle verbreitende Schattenspiel von Birken- und Buchenblättern.


Oli Bott und sein Musikerfreund Arnulf Ballhorn gleiten leichten Fußes in den Schattenbereich ihrer Baumbühne.


Oli Bott: „So wundervoll mit Ihnen an diesem traumhaften Sommertag und an diesem magischen Ort, im Garten der Villa Schöningen, Musik zu machen und zu erleben!“

Schon zum dritten Mal begrüßt Sonia González als Hausdame der Villa Schöningen Oli Bott & friends, wie schon in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021. Denn Kultur im aerosolluftigen Garten genoss im Dickicht virologischer und ordnungsamtlicher Auflagen erstaunliche künstlerische Freizügigkeit - mit Abstand einer der seltenen Frei-Räume in der Pandemie.


Chronicles of Jazz – Ein Abenteuer durch die Musikgeschichte in drei Etappen
Etappe 1: DUO Oli Bott am Vibraphon und Arnulf Ballhorn am Bass

„Arnulf und ich, wir spielen schon seit fast 25 Jahren zusammen“, macht Vibraphon-Virtuose Oli Bott seinen Bassisten bekannt. „Unglaublich – nein, nein, soooo alt sind wir doch noch nicht. Aber mit so einem guten Freund zu spielen“, sinniert er, „man kann einfach alles machen, er ist immer da!“


Für den heutigen Samstagsnachmittag verspricht Oli Bott „kleine Fantasiegeschichten. Komponisten treffen sich, die sich eigentlich gar nicht treffen können. Zum Beispiel Maurice Ravel mit seinem ‚Boléro‘ und Duke Ellington mit seinen Jazzstücken.“ Beide Komponisten trennen Jahrzehnte an Lebenszeit (1875-1937, 1899-1974), Wirkungskreise (Frankreich und USA) und Musikstile (europäische Klassik und US Jazz, Big Band Swing).


Oli Bott: "Wir treffen uns alle in einem wundervollen Musikkosmos! Meine Idee ist es, diese Künstler zusammenkommen zu lassen und wie in einer Jazz Session miteinander spielen zu lassen.“


Das Publikum unter dem Blätterdach sinkt beim Zusammenspiel und Oli und Arnulf, von Klassik und Moderne tiefer in die luftigen Sitze. Ebenso andächtig wie beschwingt. Zum Nacherleben führt dieser Link zu „Maurice Ravel meets Duke Ellington“ in einer 2020er- Fassung an einem anderen Spielort: https://www.youtube.com/watch?v=SDGEppY4C-8



Auch für den nächsten Musikspagat des DUOs bringt das Publikum interessierte Neugier mit: „Henry Purcell mit seiner wundervollen Arie ‚Silent Lament‘. Ich hab mir einfach erlaubt, mich mit Purcell ans Klavier zu setzen", bekennt Jazz-Vibraphonist und Komponist Oli Bott, "und möchte eine Antwort auf diese emotionale Arie geben.“


Mit Spannung und Spannweite lockt das DUO seine Zuhörer weiter – raus aus ihrer Komfortzone auf den Sitz- oder Liegeplätzen zu ungewöhnlichen Begegnungen und musikalischen Interpretationen von John Coltrane, Eric Clapton, Milt Jackson und Metallica. Deren Titel "Nothing else matters" in Olis Version drückt dabei nicht nur das Lebensgefühl der US Metal-Band aus, sondern auch seine eigene Teenie-Erfahrung in einem Elternhaus mit Musikgeschmäckern zwischen Bach und Heavy Metal: "Life is ours, we live it our way."


Selbst die jüngsten Gäste finden's attraktiv auf der Wiese, robben sich lautlos über das Gras näher an die Akteure heran und halten bäuchlings still für ein paar Minuten gezupfter Bassklänge und sanft bis energisch geschlagener jazziger Vibraphontöne.






Die erste Pause kommt so schnell, 60 klangvolle Minuten sind wie im Zeitraffer vergangen. Ein zweites Duo tritt auf.




2. Etappe: DUO Ganna Gryniva mit Gesang und Yuriy Seredin am Piano

Beide Berliner Künstler bringen „uralte Folklorelieder“ aus ihrer ukrainischen Heimat mit und ergänzen sie mit Gannas eigenen Kompositionen. Das Publikum folgt aufmerksam und entspannt.


Komponistin Ganna Gryvina widmet gesellschaftliche Traditionen nach ihrem heutigen Rollenverständnis um: „Der starke Mann auf dem Pferd, das war mal“, seufzt sie, reuelos. Und ergänzt süffisant: „Bei mir hat die Frau jetzt auch 'n Pferd!" Klangmalerisch dringt das neue Frauenbild deutlich ans Ohr des Publikums: im frohlockenden Sopran der Sängerin und mit temporeichen Galopprhythmen aus der Tastatur des Pianisten.


Und weiter singt Ganna, mal traurig, mal vergnügt, und Yuriy begleitet sie dabei einfühlsam mit den Klangfarben seines Tasteninstruments.


Kinderarbeit, ein Thema, das wir lange nicht vor Augen hatten in einem Land mit konstitutionell verbürgten Kinderrechten und einer lebendigen Förderkultur für Deutschlands Nachwuchs in Kitas, Schulen, Ausbildungsbetrieben und Universitäten. In der historischen Ukraine wurden Kinder von ihren Eltern zum Arbeiten in eine fremde Familie geschickt. Trauer und Trotz, Weinen und Widerstand - solch wechselvolle emotionale Kontraste werden eindringlich hörbar in Gesang und Klaviatur des deutsch-ukrainischen DUOs. Kunstvolle Windbewegungen mit der Hand vor dem Mikrofon lassen Gannas Stimme brüchig erklingen – ein musikalisches Schluchzen aus Kinderkehlen.


Und mit einem Seitenblick ins Publikum: Ein tanzendes Mädchen am Wiesenrand, kindlich, unbeschwert – welch wohltuendes Zeichen aus unserer Gegenwart!


Das mitfühlende Publikum wird mit den nächsten Liedern auf eine emotionale Achterbahn geschickt:


Überschäumende Lebensfreude beim Lobpreis auf den Frühling. Innehalten der Erntearbeiter, die zufrieden und dankbar auf ihrer Hände Arbeit blicken, nach der kräftezehrenden Flurbestellung in den zurückliegenden Monaten. Yuriys Piano und zusätzliche Klangeffekte von Gannas Keyboard setzen den Takt für die angespannte Schufterei auf dem Acker wie auch für die ausgelassenen Tänze auf dem Erntefest.


Die zweite Pause – „von der Dauer einer Pinkelpause“, schlägt Oli Bott ebenso verständig wie vergnügt vor – dient der Gefühlsneutralisierung: das Erlebte nachklingen lassen, die Gemüter herunterkühlen, die trockenen Kehlen benetzen, am ambulanten Getränkestand des Villencafés (mit Pfeil > nach rechts scrollen):


Und auf in die letzte Etappe der musikalischen Abenteuerreise!


3. Etappe: DUO + DUO = Quartett

Der Gipfel des Zusammenspiels von Instrumenten und Stimmlagen - "ein einmaliges Erlebnis", kündigt Oli Bott an. Eine Premiere im Garten der Villa Schöningen. Die beiden DUOs spielen im Quartett.

Mit "Content 2" hat Oli Bott "eine Miniatur geschrieben", die ihm mehr bedeutet als nur ein Sprachspiel mit dem doppelten englischen Wortsinn: "Inhalt" und "zufrieden". Dieses Stück bringt vier grandiose Solisten in einem Klangspiel zusammen: mit Solo-Improvisationen in lockerer Abfolge, mit stummer Blickverständigung zum Wechsel zu einer gemeinsamen Klangsprache - ganz wie im Jazz. Die Instrumente entfalten stimmähnliche Qualitäten im Wetteifer mit Gannas klarem Sopran. Und die Berliner Sängerin mit ukrainischen Wurzeln zeigt hier die Breite ihrer Musikwelten: von Jazz über ukrainischen Folk bis hin zu experimenteller Musik. Dieser Link führt zu einem 2020er-Hörgenuss: https://www.youtube.com/watch?v=L3-fUiIOuo0.


Ganna Gryniva, allein unter drei Musikermännern, ist ganz in ihrem musikalisch-mimischen Element, wenn sie dem Publikum vermittelt, "Wie Gott die Frau geschaffen hat". Eine verlockende Handbewegung zu ihrem Pianisten - das kommt erfrischend gut an im fortschreitenden 21. Jahrhundert und seinen laufend sich verändernden Genderrollen - und publizistisch oft hochstilisierten Genderquerelen. Hier lockt das Weib, der Mann schweigt, scheinbar unberührt, und genießt, kein Anflug von #metoo-ism.


Und ganz die engagierte Patriotin, widmet Ganna den Gewinn aus ihren CD-Verkäufen um in Spenden an ihre ukrainischen Landsleute im andauernden russischen Aggressionskrieg.


Das Publikum hat Spaß beim Zuhören, lässt sich treiben vom Wechsel der Soli, von der Harmonie der Klänge, ist dabei mit anhaltender Aufmerksamkeit, aber ohne versteifte Konzentration (zum Scrollen den Pfeil > rechts anklicken):


Es ist ein Festival der perlenden Klänge und sinnlichen Augenblicke an diesem Sommertag im Garten der Villa Schöningen. Das Publikum ist mehr als "content"!



Die Villa Schöningen in Potsdam


lud am 3. Juli 2022 zu einer Fortsetzung des JAZZ DUO FESTIVALS mit Oli Bott ein. Auch im weiteren Sommer 2022 gibt es Jazz-Veranstaltungen im schattigen Villengarten, immer sonntags, von 15-17:30 Uhr:


Kuratorin Sonia Gonzáles (Foto: Andreas Klaer - pnn) wirbt für die laufende Ausstellung "Sammeln" in ihrem Haus bis zum 28. August 2022, mit Einzelwerken verschiedener Künstler:innen und Ausschnitten aus verschiedenen Sammlungen - von Vermisstenanzeigen von Haustieren über briefmarkengroße Porträtzeichnungen und Fotos von Kühlschranktüren zu anderen Kuriositäten.


Nicht zuletzt führt ein Besuch in der Villa ins Archiv ihrer wechselvollen Geschichte, nicht nur zu Ost-West-Zeiten der deutschen Teilung. Die umgebende Backsteinmauer des Hauses dokumentiert auf Plakaten Etappen seiner Historie.




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Villa Schöningen

Berliner Str. 86, 14467 Potsdam

info@villa-schoeningen.de

0331 200 17 41

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Oli Bott

www.olibott.com

info@olibott.com

030 417 248 48


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