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AutorenbildHilda Steinkamp

Wie ein Fisch im Havelwasser - Olaf Scholz in seinem Wahlkreis Schwielowsee

Aktualisiert: 18. Mai 2022

Im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern im Haveltreff in Caputh

"Ich werde immer wiederkommen zum Diskutieren in meinem Wahlkreis ...

Sie haben ein Recht darauf. Nicht erst vor den nächsten Wahlen."


Versprach's im Wahlkampf und setzt es am 14. Mai 2022 in die Tat um: Olaf Scholz, seit 2021 Bundeskanzler im 20. Bundestag, heute unterwegs als SPD-Bundestagsabgeordneter in seinem Wahlkreis 61: Potsdam - Potsdam-Mittelmark II - Ludwigsfelde. Eingekehrt im Landhaus Haveltreff in Caputh an der Fähre bei heiterem Maiwetter und gelockerter Stimmung. Und im wohltuend dezenten, aber präsenten Security-Rahmen.


30 Minuten Input aus der Bundesregierung

Die Statements des Bundestagsabgeordneten und Regierungschefs kreisen zunächst um brandaktuelle und explosive Themen - durchaus im wörtlichen Sinne der verheerenden militärischen Aktionen im Russlandkrieg auf ukrainischem Boden. Bemühungen um Energieersatz, die aus der Abhängigkeit von Gas- und Öllieferungen aus Russland führen sollen, stehen ebenso auf seiner verantwortungsvollen Agenda wie die Stärkung des Zusammenhalts in der deutschen Gesellschaft nach Corona durch 30-Milliarden-Entlastungspakete.


"Es gibt so etwas wie ein gutes Herz, Solidarität in unserer Gesellschaft"

Hier spricht ein Olaf Scholz als Mit-Bürger, als Kümmerer, der in vielfach belasteten Zeiten die Menschen und Wähler in seinem Wahlkreis erreichen kann - sehr wohl mit pragmatischem Blick für die dringend gebotenen To-Dos im kleinen wie im großen Gemeinwesen, aber vor allem mit einer ansteckenden optimistischen Grundhaltung:

Jakob Grunert spielt für die Ukraine

"Ich hab' hier, als ich reinkam, einen kleinen Jungen am Havelufer gesehen, der auf der Gitarre spielt und für seine Mitschüler aus der Ukraine wirbt. Das hat mich sehr, sehr berührt. Das ist für mich ein Zeichen, dass es so etwas gibt - ein gutes Herz. Da muss man gar nicht so pessimistisch sein, wie man es oft hört."










Screenshot von: rbb24, 14.05.2022, 21:45

Olaf Scholz mit der Caputher Ortsvorsteherin Kathrin Freundner, Thomas Freundner und Bürgermeisterin Kerstin Hoppe
Was bewegt die Herzen und bedrückt die Existenz der Menschen in Schwielowsee?

Der größere Teil des Nachmittags gehört den Schwielowseern und ihren kommunalen Fragen wie globalen Sorgen. In Olaf Scholz haben sie einen entspannten und informierten Gesprächspartner, aktiv im Zuhören und ebenso bürgernah wie vorausblickend als Regierungschef.


Ukraine, Deutschland und Europa

  • Kommen unsere Milliardenhilfen alle in der Ukraine an? Und gibt es EINE europäische Stimme für die Ukraine-Unterstützung - trotz nationaler Eigeninteressen?

Olaf Scholz: Ob das Geld da ankommt, wo es hin soll? Ja! Schon in der Corona-Krise haben wir europäische Solidarität möglich gemacht, obwohl alle sagten: Das klappt nie! Und beim Ukraine-Krieg ist das genauso und geht ganz schön schnell: Die Sanktionspakete - wir reden gerade über das sechste! - sind immer einstimmige Beschlüsse der EU.

  • Wie kann eine europäische Friedensordnung nach Kriegsende in der Ukraine aussehen?

Ich will versuchen, kurz darauf zu antworten. Wenn wir in der Welt mitreden wollen, was Demokratie, Markwirtschaft, Verteidigung und Sicherheit anbelangt, dann können wir das nur als EU. Unsere Lehre aus dem 2. Weltkrieg ist, dass wir das Friedens- und Zukunftsprojekt EU vorantreiben, das gleiche gilt für die NATO. Es muss eine europäische Ordnung geben, in der wir zurückkommen zu den Vereinbarungen, die wir tatsächlich schon mal hatten und die Russland auch unterschrieben hat, nämlich dass mit Gewalt keine Grenzen verschoben werden. Das ist die Grundlage von allem.

  • Wie genau sollte man mit Russland nach dem Krieg umgehen? Sind Sie mehr für hart wie die USA oder eher für weich - mit Nachsicht und Nächstenliebe?

Ich formuliere es bewusst mit dem US-Präsidenten: "Putin must not win the war" - darf den Krieg nicht gewinnen. Es gibt ja manche Äußerungen, die darüber hinausgehen. Das ist, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Nuklearmacht handelt, die zweitgrößte nach den USA, unverantwortlich, um es mal höflich zu sagen. Das Wichtige, was Putin zustande bringen muss, ist eine Vereinbarung mit der Ukraine zu treffen und dass das kein Diktat von ihm ist. Das ist der Weg zu einer entspannten Situation nach dem Krieg.

  • Sie sprachen von einem 75-Minuten-Gespräch mit Putin gestern. Erzählt haben Sie uns davon aber nur 75 Sekunden. Was macht man so lange am Telefon mit Putin?

Vieles muss man dem Mann in zigfacher Wiederholung sagen. Mein Anliegen ist es, Putin zu vermitteln, dass man nur mit fairer Vereinbarung aus der Kriegssituation herauskommt.



  • Wie steht's mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht? Damit wir das Problem mit der soldatischen Sicherheit in Zukunft nicht fortsetzen!

Die Wehrplicht wurde 2011 ausgesetzt. Es würde jetzt das größte Chaos stiften, wenn wir sagen, wir bauen alle Strukturen wieder auf, um eine Wehrpflichtarmee zu organisieren. Der Zug ist abgefahren. Wir sollten uns jetzt darum kümmern, dass wir die Bundeswehr richtig ausstatten und genügend qualifizierte Frauen und Männer in der Bundeswehr haben. Wir haben im NATO-Rahmen, in Kontinentaleuropa das größte Budget, über 50 Milliarden, wenn wir um 2% erhöhen, kommt noch ein ordentlicher Batzen dazu. Aber: Ausrüstung statt Aufrüstung! Das wird eine sehr leistungsfähige Bundeswehr.


Klimakrise

  • Ich habe einen BKW-Betrieb. Womit soll ich in Zukunft meine Produktion heizen? Wärmepumpe und Solarenergie funktionieren nicht.

Guck' mir Ihren Betrieb gern mal an. Ist Atomkraft eine Lösung? Glaub' ich nicht. Wenn man jetzt ein AKW baut, dann wird das 2037 fertig, kostet € 15 Milliarden das Stück. Bis dahin werden wir alle unsere Entscheidungen längst getroffen und die Energieversorgung so neu organisiert haben müssen, dass wir zu billigen Preisen 'ne Menge Energie haben. Das ist das Ziel. Wir produzieren in Deutschland gegenwärtig 600 Terrawattstunden (TWh) Strom, viel mehr als andere Länder und mit Betrieben wie Ihrem, weil wir erfolgreich sind als Industrieland. Wenn wir den Umbau hinkriegen, dass Stahl nicht mehr mit Kohle und Chemie nicht mehr mit Kohle, Gas und Öl als Betriebsstoff gemacht wird, dann werden wir dazu viel mehr Strom brauchen. BASF etwa braucht Strom von neun Offshore Windparks. 2030 werden wir deutlich mehr Strom produzieren müssen. Das geht nur mit Windkraft zu vertretbaren Preisen. Dann sind wir unabhängig von Importen und global wettbewerbsfähig. Gibt es eine Alternative? Nee. Nicht wirklich. Wenn alle Länder auf NLGas zugreifen, dann steigen die Preise bis auf den Mond. Und deshalb ist der Umstieg auf andere Erzeugungsmethoden gut für die Umwelt und unsere einzige Chance, Energie bezahlen zu können.

  • Wie können wir in Brandenburg die Klimakrise in den Griff bekommen?

Ich will's mal anders formulieren: Wieso bei uns? Wenn das anderswo gemacht wird, in China, dann hat das doch viel mehr Effekt! Die Antwort ist: weil wir reich genug sind, unternehmerisch und ingenieurmäßig gut genug sind, dass wir die Alternativen entwickeln können. Denn wir werden nicht in China anrufen und sagen: Es ist schlecht fürs Klima, wenn bei euch die Wirtschaft wächst. Könntet ihr darauf verzichten? Das werden die nicht tun. Indien auch nicht, der afrikanische Kontinent nicht, und in Südamerika haben die auch noch was vor. Deshalb ist das, was wir leisten können, dass wir die Technologien produzieren und zeigen: Eines der erfolgreichsten Industrieländer der Welt, das mit seinen 80 Mio. Einwohnern ganz vornean im weltwirtschaftlichen Ranking steht, nämlich Deutschland, kann das.


Bildung

  • Ich wohne in Caputh und habe in meiner Grundschule in Zehlendorf eine Willkommensklasse für ukrainische Kinder eingerichtet. Sie sind herzlich eingeladen!

Ja, ich komme gern. Ich finde beeindruckend, was alles so gemacht wird. Wenn wir das Ausländerzentralregister zu Rate ziehen, sind es über 700.000 Flüchtlinge aus der Ukraine. Wir haben Gesetze gemacht, damit sie alle erfasst werden. Ab dem 1. Juni werden wir einen großartigen Systemwechsel haben: Alle Flüchtlinge werden übernommen in das System der Grundsicherung, sie bekommen den vollen Service und wir wissen: was können die Leute, wer sucht Arbeit. Wer sich schnell integrieren will und Arbeit sucht, den können wir vermitteln. Der Arbeitsmarkt ist ja leergefegt. Bis Ende des Jahrzehnts brauchen wir 7 Mio. zusätzliche Arbeitskräfte. Deshalb bin ich so begeistert von den offenen Herzen und unserer Willkommenskultur.

  • Wir haben extreme Raumnot in unserer Caputher Grundschule. Die Baugenehmigung für einen Anbau liegt seit zwei Jahren vor. Die Fördermittel lassen auf sich warten. Können Sie nicht auch ein gutes Wort für Bildung einlegen?


Wir brauchen digitale Infrastrukturen für den Unterricht. Und ich will klar sagen: Gute Schulgebäude gehören dazu.


Gesundheit, Verkehr und mehr

  • Als Neubürger stelle ich fest, dass die Taktung im Öffentlichen Nahverkehr sehr schlecht ist. Vor allem für die Jugend. Das 9-€-Ticket ist ja ok. Aber nur eine Verbindung pro Stunde nicht.

Ich bin ganz zuversichtlich, was den öffentlichen Verkehr betrifft. Was jetzt passiert, ist, dass viele Leute ihr Auto stehenlassen und Bus oder Bahn benutzen. Und wenn das dazu führt, dass es eine besser ausgebaute Infrastruktur gibt, dann ist das ein guter Beitrag. Eine andere Variante ist das autonome Fahren, eine große Chance für die ländlichen Räume, zumindest dass der Shuttle-Verkehr zu den Hauptverkehrslinien ermöglicht wird, das ist wirtschaftlicher als mit Bus und Fahrer. Das wird schon ausprobiert in Deutschland. Das ist nix Abstraktes.

  • Wann ändert sich das Krankenversicherungssystem? Sodass auch die Verkäuferin, die nicht privat versichert ist, schnell einen Arzttermin bekommt.

Dass wir in unserem Gesundheitssystem was tun müssen, das versteht jeder. Im internationalen Vergleich sind wir gar nicht so schlecht. Wartezeiten gibt's auch anderswo, und zwar viel längere. Ich will mal eine Lanze brechen für diejenigen, die im Gesundheitssystem arbeiten. Die Zahl der Intensivstationen und -betten in Deutschland ist größer als anderswo. Das haben wir in der Corona-Pandemie gemerkt, weil es nicht zu einer gesamtstaatlichen Belastungssituation gekommen ist. Es gibt also Sachen, die schon gut funktionieren. Trotzdem haben wir uns ein paar Punkte vorgenommen: dass Pflegekräfte besser bezahlt und ausgebildet werden, ihren Beruf attraktiv finden und auch bleiben. Es wird sehr schwer sein, die im vorletzten Jahrhundert begonnene Tradition unserer strukturierten Versicherungslandschaft irgendwie zu harmonisieren. Da gibt es mächtige Interessen. Ich guck' mich noch nach den Mehrheiten um.

  • Bundestagsabgeordneter und Bundeskanzler - immer auf Achse! Wie geht das zusammen? Und wie finden Sie Abstand?

Hab mit dem Joggen wieder angefangen. Einige wissen, dass ich auch ab und zu rudere, eine tolle Sportart, und ich wandere ziemlich viel mit meiner Frau. Und ansonsten tu' ich ganz normale Dinge wie lesen, ins Kino gehen.

Und geht das zusammen: Abgeordneter und Kanzler? Unbedingt! Die Bundeskanzler in Deutschland sind alle auch Abgeordnete gewesen, mit einer Ausnahme: Kiesinger. Was ich mir vorgenommen habe: dass alle merken, dass ich als Abgeordneter im Wahlkreis vorhanden bin, dass ich ab und zu mal komme, aber nicht mit dem Hubschrauber einfliege. Deshalb freue ich mich, dass ich hier wohne und dass ich solche Veranstaltungen wie heute hier machen kann. Das ist für mich ganz zentral: dass ich regelmäßig und immer wieder komme zu solchen Gesprächen. Einige werden sich bald daran gewöhnt haben. Also - alles Gute, schönen Dank für Ihre Teilnahme.


Bad in der Menge

Groß und Klein, Frauen und Männer, Bürger:innen und Gemeindevertreterinnen - sie alle stehen Schlange zum Foto-Shooting und zum persönlichen Gespräch mit ihrem Kanzler und Wahlkreisabgeordneten im Bundestag:

Nach einem langen Wahlkreis-Wohlfühl-Nachmittag am Havelufer in Caputh
Unauffällige Abfahrt in der Abgeordneten-Limo, ohne das Kanzler-Kfz-Zeichen "0 - 1"











Politik-Nachwuchs

Die Klasse 3 der Albert-Einstein-Grundschule in Caputh hatte die Idee, ihre neuen ukrainischen Mitschüler:innen nicht nur mit ihrem neuen Wohnort vertraut zu machen, sondern sich auch finanziell um sie zu kümmern. "Es gibt nämlich keine Kasse für Lernmittel und Spiele", so erklärt mir Mutter Melanie Grunert. Umgesetzt in die Tat hat die Hilfsaktion an diesem Kanzler-Samstag ihr Sohn Jakob auf seiner Gitarre, der er wunderbar sanfte Klänge entlockt und - strategisch gut platziert vor dem Eingang zum Haveltreff - den Vorübergehenden die eine oder andere locker sitzende €-Münze aus der Tasche. Seit drei Jahren spielt der achtjährige Virtuose mit Begeisterung, er gewann den ersten Preis im Regionalwettbewerb "Jugend musiziert". Diese kindliche Spendenaktion lässt ein frühes politisches Talent erahnen.


"Eh? Ich ein Politiker? Wieso?!", fragt Jakob halb verlegen, halb neugierig. "Nun ja, du tust ja was für andere im Dorf. Du machst einen Plan, setzt deine Arbeit und deine Zeit ein. Und dein Lohn ist die Freude deiner ukrainischen Freunde. Erstmal. Später gibt's auch gute Euros für politische Arbeit!" Jakob lässt seine Gitarre sprechen - hören Sie mit: https://studio.youtube.com/video/L6gwaPAlFSc/edit .


Seltenes Foto mit Gast und Bloggerin - Foto: maz online, 16.05.2022



(c) Die Antworten von Olaf Scholz habe ich per Audio-App aufgezeichnet.

Der hier wiedergegebene Wortlaut ist authentisch,

gekürzt, ohne Kenntlichmachung der Kürzungen.

Kürzungen verändern nicht den Sinnzusammenhang.

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