Chang-Ok Han füllt leeren Ladenraum im Werderpark mit Kunst
Zum zweiten Mal seit 2019 und nach zwei pandemischen Ruhejahren können im geschäftigen Einkaufszentrum im Werderpark Kunden wieder "Kunst im Alltagsleben wahrnehmen", so die Ausstellungsidee von Chang-Ok Han, selbst Künstlerin aus Liebe, Werderanerin aus Überzeugung und Südkoreanerin von Geburt. Und wiederum kann sie mietfrei einen leerstehenden Geschäftsraum nutzen, den ihr Alexander Plattner, Chef im Werderpark, sechs Wochen lang zur Verfügung stellt.
Eingebunden ist Chang-Oks Werderaner Kunstausstellung in ein soziales Projekt:
40% aus dem Verkauf der Bilder gehen an eine Non-Government-Organisation, die Straßenkinder in Nordkorea unterstützt. Verantwortlich arbeiten bei der Hilfsorganisation auch deutsche Priester der Evangelischen Kirche mit.
Schon seit Jahren kuratiert die Künstlerin Ausstellungen, zunächst in Berlin, dann in ihrer Wahlheimatstadt Werder. Für diese zweite Kunstaktion mit sozialem Auftrag im Einkaufzentrum konnte Chang-Ok Han ebenso lokale wie südkoreanische Künstlerinnen und Künstler gewinnen.
Die Spannweite der Themen, Medien, Materialien und Malstile könnte breiter und vielfältiger nicht sein. Sie reicht von der Havellandschaft und Werders Skyline über paradiesische und kosmische Räume, Märchenszenen und kalligrafische Entwürfe bis zu koreanischen Gebirgslandschaften und den Grenzgebieten zwischen Nord- und Südkorea. Aquarell, Acryl und Tusche sind bewährte Medien. Auf Blattgold, Silber oder Kupfer ziselierte Ornamente zieren raumhohe Bilder.
Aus Werder
Regina Lunderstedt
Gudrun Mader
Jörg-Michael Knuth
Aus Korschenbroich in NRW
Angela Harmeier
Aus Berlin
Wolf Haussner
Lao Lang (alias Wolfram Wickert):
Aus Südkorea
Kalligrafiemeister
(Byongoh Taesun) Cho
Jungja Jun
Hojin Lee
Minja Lee
Youngsun You-Teschke
Werder-Park-Besucher strömen nicht herein, sondern treten ein, einzeln, zu zweit, und verweilen vor den Kunstwerken, "ohne Extraweg". Genau das möchte Chang-Ok Han erreichen, dass Menschen innehalten in ihren Alltagsgeschäften, sich Zeit nehmen, um sich an Kunst zu erfreuen. "Wenn Kunden aus dem Einkaufszentrum hereinkommen und sich umgucken, dann ist das die Belohnung für uns Künstler", freut sie sich.
Chang-Ok Han
Die Künstlerin hat ihr Handwerk gelernt und allmählich ihren Malstil verändert. In ihrem 2020er-Katalog stellt sie Adam (li) und Eva (re) in Aquarell-Porträts (von 1996) dar und im selben Medium im ausgelassenen Paartanz (Mitte, 2013):
In der Ausstellung in Werder zeigt Chang-Ok Han Kunstwerke in einem gewandelten Malstil, den sie seit 2015 als ihre künstlerische Handschrift entwickelt hat. Acryl auf Leinwand ist ihr verändertes Medium. Gleichbleibend ist das Motiv: Menschen, die sie als Paar oder als Familie zusammenstellt, aber jetzt in minimalistischer Größe und inmitten einer Umgebung, die sie aus geometrischen Formen zusammenfügt. Wie vereinzelt erkennt der Betrachter Kreise, Dreiecke und Quadrate in wechselnder Farbgebung. Lässt man sich näher auf das Gemälde ein, so staunt man, dass Chang-Ok aus den geometrischen Einzelformen menschliche Figuren gestaltet: Kreis als Kopf, Dreieck als Körper, Quadrate als Füße. Eine Vielzahl solcher geometrischer Körper schwirren durcheinander: stehend, fallend, liegend, einander berührend, wie hier in ihrem Bild "Family Walk in the Rain" von 2020:
"Dass wir Menschen füreinander oder miteinander verbunden sind"- von dieser Philosophie, wie sie auch vom Taoismus gelehrt wird, ist die Künstlerin überzeugt. Und so lässt sie nicht davon ab, das archetypische Menschenpaar Adam und Eva in ihrem neuen Malstil zum Ausdruck zu bringen, auch updated: in zeitgenössischer salopper Kleidung und Handy-Verliebtheit (2020, im Katalog und auf der aktuellen Kunstaustellung im KUNST-GESCHOSS Werder: https://www.schwielowschwatz.de/post/nicht-da-ist-man-daheim-wo-man-seinen-wohnsitzt-hat-sondern-wo-man-verstanden-wird-in-werder):
Oder auch als Altersversion eines Paares, das ihr auf Fuerteventura in seiner Vertrautheit und eingespielten Zweisamkeit beim spontanen Tanz aufgefallen ist:
Adam und Eva, die Keimzelle der Menschheit nach biblischer Überlieferung - das ist christliches Gedankengut und in Chang-Oks zentralem Figurenmotiv erkennbar.
Und die uranfängliche Einheit, aus der "zehntausend Dinge" im Kosmos entstehen - das ist taotische Lehre und in Chang-Oks geometrischen Hintergrundfiguren sichtbar.
Chang-Ok Han lebt und schafft Kunst im Schnittpunkt dieser beiden Welten, ihres asiatischen Ursprungslands und ihrer europäischen Wahlheimat.
"Das handwerkliche Knowhow lernt man mit der Zeit. Aber es geht nicht um Talente", gibt die Malerin zu bedenken. "Talent hat man von Natur aus, von der Familie, von den Generationen. Im Taoismus habe ich gelernt, demütig zu sein, auch wenn man hochtalentiert ist. Worauf es in der Kunst ankommt, ist die Liebe. Zu den Menschen, zum Kosmos. Das versuche ich in meiner Kunst zum Ausdruck zu bringen."
Auch im fernen Havelland bleibt Chang-Ok Han ihrer koreanischen Seele treu. "2022 ist das Jahr des schwarzen Tigers im asiatischen Tierkreis", verkündet sie und zeigt auf ihr jüngstes work in progress auf dem Maltisch im Ausstellungsraum. Ein fertiges "Schönes Tier" aus Chang-Oks Hand kann man im KUNST-GESCHOSS Werder bewundern (https://www.schwielowschwatz.de/post/nicht-da-ist-man-daheim-wo-man-seinen-wohnsitzt-hat-sondern-wo-man-verstanden-wird-in-werder).
Tiger sind zentral im koreanischen Leben und ein Symbol des Landes. "Stärke, Klugheit, Ausdauer - ein Glücksbringer für mich", schwärmt sie und macht sich wieder ans Werk. Bis die nächsten Werder-Park-Kunden sie mit interessierter Neugier in ihrem Studio auf Zeit besuchen.
Die Ausstellung im EKZ des Werder-Parks
ist noch bis zum 12. März 2022 geöffnet:
Mo, Do, Sa von 11-13:30 und von 15-18 Uhr.
Eintritt frei.
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