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  • AutorenbildHilda Steinkamp

Kirche und Kommune bringen Ukrainer zum Sprechen

Gesponserter Deutschkurs in Schwielowsee für Geflüchtete

Der Deutschkurs im Ev. Gemeindezentrum Caputh mit Christina Faix, Rainer Faix und Barbara Tauber (imHintergrund)

Seit dem 24. Februar 2022 liegt die Ukraine im Fadenkreuz russischer Invasionspolitik. Millionen Ukrainer flüchten vor dem großangelegten brutalen Angriffskrieg, Frauen und Kinder, ganze Großfamilien, die Männer zwischen 18 und 60 Jahren bleiben als Kämpfer zurück. Dutzende von Flüchtlingen kommen Anfang März auch in Schwielowsee an, nach unkomplizierter Registrierung beim Sozialamt in Bad Beelitz und rasch erteilter Aufenthaltserlaubnis.

Die Manuskriptur - Barbara Taubers Schreibwerkstatt
Ukrainer in Schwielowsee - die Anfänge

Am 10. März 2022 finden die ersten Ukrainer den Weg zu Barbara Tauber, in ihre Manuskriptur am Schloss Caputh. Sie kommen zu Gesprächen, in der gemeinsamen Verkehrssprache Englisch, bei einer Tasse Tee, Hausgebäck und aufbauenden Worten. "Ich bin total schüchtern angefangen", blickt die Caputherin zurück. Da kommen gut ausgebildete, gebildete Europäer zu uns, aus tiefster Not, und wir zeigen ihnen, wo's langgeht?! Die ersten deutschen Begriffe machen die Runde am Tisch: alltagstaugliche Wörter und Wendungen, mit denen sich Ukrainer im Gemeindeleben verständigen können - mit Vermietern und Nachbarn, im Supermarkt, in Bus und Bahn, beim Arzt und Apotheker. Der Treffpunkt bei Barbara spricht sich schnell herum. Im Nu zählt sie ein Dutzend Sprachwillige, ihr Haus ist zu klein für einen Schulbetrieb.


Welche Kraft in einer Dorfgemeinschaft steckt!

Was tun? Der Bedarf an Sprachförderung ist da. Deutsch ist der Weg in die Gastgesellschaft, macht soziale, wirtschaftliche, kulturelle Teilnahme möglich. BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) ist weit weg, die Bürokratie arbeitet auf verschlungenen Wegen. Die Caputher ergreifen selbst die Initiative. Barbara Tauber wirft ihre sozialen Netze aus.


Thomas Thieme, Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Caputh, bietet ihr auf der Suche nach einer Herberge für ihre ukrainische Lerngruppe die Räume im Gemeindehaus an.

Petra Exner, eine Unterrichtskollegin aus naturwissenschaftlicher Fachrichtung, setzt ihre Wissensvermittlungskünste ehrenamtlich in einer zweiten Lerngruppe um.

Christina und Rainer Faix, Gründer des KulturForums Schwielowsee e.V., stellen ihr Ehrenamt in die Dienste humanitärer Bildungshilfe. Am 2. April 2022 motivieren sie auf einer ihrer Kulturveranstaltungen die Besucher einer Lesung in der Kirche Caputh zu Ukraine-Spenden. € 500 kommen schnell im Spendenkorb zusammen. Sie sollen in Bücher investiert werden.

Ein süddeutscher Schulbuchverlag liefert in Windeseile die georderten Sprachbücher für Barbara Taubers Deutschkurse.


Deutsch-ukrainische Verständigung

Seit Mitte März 2022 besuchen etwa 50 Ukrainer mit Wohnsitz in Caputh, Ferch und Geltow zwei Sprachkurse bei Barbara Tauber und Petra Exner: unbürokratisch ins Leben gerufen, zunächst bücherlos, dann materiell mit Spendengeldern ausgestattet und honorarfrei, aber mit umso mehr Idealismus geführt. Fünf Tage in der Woche, 90 Minuten lang herrscht munteres Treiben im Kursraum im Evangelischen Gemeindehaus.

"Ich hatte befürchtet, dass die Geflüchteten in unseren Kursen wegen ihrer Kriegstraumata nicht offen sind oder nicht belastbar. Aber nichts dergleichen: Alle kommen regelmäßig. Und wenn ich sie frage: 'Wie geht es dir?', dann kommt die prompte Antwort: 'Super' oder 'Sehr gut'." Und so begeistert, wie Barbara spricht, hat dieser Wortwechsel nichts mit 'Vokabelabfrage' zu tun. Mehr mit der Gewissheit: Die Flucht hat ein Ende. Sie fühlen sich willkommen.




Auch mich als Gast begrüßen die Teilnehmer in Barbaras Sprachkurs mit offenem Lächeln und Interesse an meinem Online-Journalismus. Wenn ich mit Englisch bei ihnen nicht auf ein offenes Ohr stoße, lassen sie mich eine Sprachnachricht in ihre Handy-Audio-App sprechen und bemühen einen Online-Übersetzerdienst. Digitale Kompetenz! Und kulturelles Knowhow!


Auf dem Flur des Gemeindehauses wie im Raum für Kinderarbeit, in der Katechetin Kerstin Schulz zu anderen Zeiten Grundschulkindern die Christenlehre näherbringt, treffe ich drei ukrainische Kinder an, 5, 6 und 7 Jahre alt. Ihre Eltern lernen nebenan Deutsch. Sonst sind es auch schon mal 20 Kinder. Für die jüngeren Kinder Katja und Rustam gibt es noch keine Kitaplätze, für den siebenjährigen Blaton sollen sich nach den Osterferien die Schulpforten öffnen.

Die beiden Jüngsten lassen am Kreativtisch mit Malblättern und Bildwörterbüchern ihrer Fantasie freien Lauf. "Mit dem Deutschlernen, das geht ganz natürlich", sagt ihre Betreuerin Barbara Baude und entlockt Rustam mit einem sanften Griff auf seinen Schopf das Wort "Haar". Ähnlich spielerisch haben die Kinder auf Deutsch Zahlen, Farben und Wochentage, Mama und Papa, Tisch und Stuhl, Mädchen und Junge aufgenommen.



Der Flur des Gemeindehauses muss heute als Rennstrecke herhalten. Blaton hat überschüssige motorische Energien. Unterhalterin Katrin Päzolt weiß ihn mit einem selbstgebastelten papierenen Flugobjekt auf Trab zu halten - bis zur Cooling-down-Phase im Kreativzimmer:

Das beherzte Selbst-Lehr-Projekt im Evangelischen Gemeindehaus lebt!

Nicht nur zum anstehenden Osterfest weht hier ein christlicher Geist durchs Gemäuer, der den Geflüchteten Mut macht auf eine lebenswerte Zeit nach den erlittenen Todesszenarien in ihrem Heimatland.


Ausblick

Viele Ukrainer in Schwielowsee wollen sobald wie möglich zurück zu ihren Männern, Söhnen, Vätern oder Brüdern in einer befreiten und friedlichen Ukraine. Wer in Deutschland längerfristig eine Lebensperspektive sucht, kann ab Mai 2022 in Potsdam an einem von BAMF eingerichteten Integrationskurs teilnehmen und nach sieben Monaten einen qualifizierten Abschluss in der deutschen Sprache machen, der bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt vergibt:

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