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Im "Falkenflug" durch Raum und Zeit

Falk Zenker füllt den Kirchenraum in Petzow mit klangvollen Gitarren-Fantasien


"Auf der ganzen Welt zu Hause, auf Reisen wie in seiner Musik. Dann zweimal versetzt im letzten Corona-Jahr. Doch heute ist er endlich hier bei uns, in unserer kleinen, aber wunderschönen Kulturkirche in Petzow: Herzlich willkommen, Falk Zenker!"


Veranstalterin Doris Patzer (re im Bild) fördert Kunst und Kultur im Auftrag des Landkreises Potsdam-Mittelmark und begrüßt am 27. Februar 2022 den Gitarristen, Komponisten und Klangartisten Falk Zenker aus Kapellendorf bei Weimar zu seinem "Falkenflug" in der Schinkelkirche Petzow. Seit 25 Jahren ist er musikalisch unterwegs, bekannt und gefeiert für seine Solokonzerte und Kompositionen für Dokumentarfilme im TV und Kino, vor allem auch für seine Klanginstallationen: in Parks und Gärten, Kirchen- und Schlösserräumen, Kloster- und Fabrikruinen. Ein Klangkünstler, der seine eigene "Tonsprache" gefunden hat.


Falk Zenker, gerade noch im Ruhemodus auf der Sonnenbank vor der Kirche,


verbeugt sich vor dem Publikum, bringt seine Akustik-Gitarre zum Klingen, selbstvergessen, abgehoben auf seinem musikalischen "Falkenflug", mit Kompositionen von seiner gleichnamigen CD von 2020.



Zeitreise

Der Musiker spricht zu uns nach seinem ersten Stück:

"Mit meinen Kompositionen möchte ich Ihnen als Zuhörern Zeit und Raum geben für Gedanken, für Gefühle, die uns alle bewegen, mich mit Ihnen auf eine Reise begeben und durch die Zeit fliegen."


Ballade musikalisch

Wir folgen ihm, als erstes durch seine Heimatstadt Weimar, einst Wirkungsstätte der beiden Großen in der deutschen Literaturlandschaft, Goethe und Schiller, die sich 1797 auf einen Balladen-Wettstreit miteinander einließen und uns Nachgeborenen so bekannte dramatische Erzählgedichte wie "Der Erlkönig" und "Der Zauberlehrling" hinterließen.



"Mein nächstes Stück heißt 'Ballade'. Ich schenke Ihnen die Musik", bietet der Komponist an. "Und die Geschichte dazu, die Ballade, die kann sich jeder selbst vorstellen."

Ich lasse mich auf sein Klangangebot ein. Und stelle mir vor, in meiner ganz subjektiven Wahrnehmung, im musikalischen Aufbau seines Gitarrenstücks "Ballade" fünf Schritte einer dramatischen Handlung herauszuhören - wie in einer literarischen Ballade:


Anfang - steigende Handlung - Höhepunkt - fallende Handlung - Katastrophe und Lösung.


Politisch brisant

Im "Falkenflug" geht es zeitlich und räumlich stürmisch weiter, in das aktuelle Kriegsgeschehen in der Ukraine.

"Unsere Empathie ist im Moment ganz anders ausgerichtet, wir alle haben dieses Mitgefühl für Menschen, die Krieg aushalten müssen. Und ich werde dazu ein Stück spielen, das sich mit Schmerz und Trauer beschäftigt. Da geht es darum, diesen Schmerz zuzulassen, weil wir dann erst wieder heil sein können, auch wieder handeln können, zurück ins Leben können: 'Tango triste'".


Nach dem Konzert erklärt er mir, "Tango triste" habe er ursprünglich als Filmmusik zu einer Dokumentation über die Kinder von Buchenwald komponiert. Welch triste und zugleich absurde Parallele! Noch vor vier Tagen unvorstellbar für alle von uns in der zivilisierten Welt, dass sich fast 80 Jahre nach den letzten brachialen Angriffen auf souveräne Staaten in Europa ein Vernichtungskrieg wiederholen könnte!

Falk Zenker bringt zum Auftakt eine Klangschale zum Schwingen, entlockt ihr Glockentöne, so als sei es an der Zeit, aufzuhorchen, wach zu werden, Alarm zu schlagen. Wir schwingen uns mit ihm ein auf Wellen der Empathie für die umkämpfte Ukraine, aber ohne im Gefühl zu versinken, immer wieder versetzen uns unerwartet intensive Tonfolgen zurück in die verstörende politische Realität.


Hier geht es zum Musikvideo "Tango triste" vom Solokonzert in Petzow: https://youtu.be/QXCDBOXseOc


Zurück ins Mittelalter

Stimmungswechsel. Es sei nun an der Zeit, "aus der Zeit herauszufliegen", so lockt uns der Musiker-Moderator auf einen Flug zurück ins Mittelalter. Dort liegen "unsere eigenen Wurzeln" in der Musikwelt, informiert er das geneigte Laienpublikum.

Er interpretiert zwei Stücke aus der französischen Liederhandschrift Manuscrit du Roi, dem bedeutendsten Zeugnis der Musik des Mittelalters. Diese Liedersammlung, zwischen der Mitte des 12. und der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden, gehörte zum Repertoire der französischen Trobadurs, den Vorläufern der deutschen Minnesänger. Knapp 800 Jahre später intoniert Falk Zenker auf seine Weise mittelalterliches Liedergut und bringt am Ende der Tanzmusik Nr. 8

seine Gitarre hingebungsvoll zum Schweigen: mit einer innigen Umarmung des Klangkörpers, die auch einer Geliebten gelten könnte.


Nicht nur mit diesem Gestus, auch mit seiner sanft eindringlichen Tonsprache beschwört er Bilder des mittelalterlichen Minnesängers, der im Auftrag zwar und mit professioneller Hingabe die Angebetete in unerreichbaren höfischen Kreisen preist.


Fröhlicher Ausklang

Nach diesen Höhenflügen und Abstechern in die Niederungen der Emotionen lädt der Klangkünstler uns ein, "Augenblicksstimmungen" nachzugehen, wie wir sie in der Natur erleben oder in der Zufallsbegegnung mit Vorübergehenden. Solch ein spontanes "Augenblicks"-Naturerlebnis hatte ich vor dem Konzert, hoch oben vom Turm der Schinkelkirche, mit einem 180°-Blick auf die Havellandschaft an diesem kalten Sonnentag Ende Februar:

Die Zuhörer, etwa 30 an der Zahl, bewegen mit anhaltendem Applaus den Gitarristen zu einer letzten Kostprobe seiner Klangkunst.


"Ich würde Sie gern verträumt entlassen und spiele für Sie 'September am Meer', mit Ihrer Fantasie auch gern 'März am Meer'", sagt der Gitarrist, schnallt sich ein Daumenklavier (Sansula) auf den





rechten Oberschenkel und dankt mit "einer kurzen, fröhlichen Nach-Hause-Geh-Musik" für eine "schöne gemeinsame Stunde" in der Kulturkirche Petzow und für die fruchtige Wegzehrung von Doris Patzer, frisch geerntet aus dem benachbarten Sanddorn-Garten in Petzow (im linken Foto unten).

Küsterin Ingrid Flachs aus Potsdam hat die Schlüsselgewalt und lockt uns Zuhörer mit fröhlichem Geplauder aus der Kirche:

Noch ein schneller, aber intensiver Museumsgang, vorbei an den beeindruckenden Bildern der Fotogalerie Potsdam, die seit Anfang Februar 2022 unter dem Motto "Ansichtssache" die Seitenwände im Kirchenraum schmücken und noch bis zum 6. März zu sehen sind. Hier geht's zum Foto-Video: https://youtu.be/w1UEVASgse8


Was für ein klangstarker und bildmächtiger Sonntag

in der Kulturkirche Petzow:


Ein geschenktes Zeitfenster
voller Besinnlichkeit und Leichtigkeit
am letzten Februarsonntag 2022,
dem 4. Kriegstag in der Ukraine,
geografisch entfernt und gefühlt so nah.

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