Volker Franzius im "Farbrausch" seiner abstrakten Malerei
Zum zweiten Mal treffe ich Volker Franzius auf einer Vernissage seiner abstrakten Bildkompositionen. Nach seiner Ausstellung "Farbmomente" in der entwidmeten Kulturkirche in Petzow im März 2022 stellt er ab 6. April 2024 aktuell 42 seiner neuesten Werke aus den Jahren 2023 und 2024 aus - diesmal im gottesdienstlich noch aktiven Kirchsaal des Evangelischen Campus Daniel in Berlin, wie schon 2017 mit "Farbleuchten - eine Werkschau".
"Farbrauschen"
nennt Volker Franzius seine neue Bilderserie. Und ein Rausch ist sie allemal - diese Kunstausstellung!
Ins Auge der hereinströmenden Besucher fällt gleich bei Eintritt die explosive Leuchtkraft der Farbflächen in den großformatigen und kleineren Gemälden.
Wie gerufen potenzieren die schmucklosen, naturgrauen hohen Betonwände des Kirchenraums als Kulisse die Ausstrahlung der Bilder noch.
Schon in seiner Einladung per E-Mail lasse ich mich von Volker Franzius' Schwärmerei von diesem Ausstellungsraum anstecken:
"Sie werden erstaunt sein, dass Sie die Daniel-Kirche von außen nicht als Kirche erkennen können... Doch: Der Kirchsaal besticht durch seine schlichten, graugehaltenen Wände, die der Archtekt Bodo Fleischer in dem Bau der Nachkriegsmoderne integriert hat, und ist für Ausstellungen geradezu prädestiniert."
Und wie sie tönen - diese Farbtöne!
Farbiges Hören? Oder hörbare Farben? Die synästhetische Wahrnehmung liegt im Auge und Ohr des Betrachters.
"Wow - PopArt in der Kirche!", schnappe ich einen spontanen Besucherinnen-Kommentar auf. "Da brauche ich keine Orgelklänge", ergänzt sympathetisch ihr männlicher Begleiter.
"Ein Festival der Sinne!", so loben etwas bedächtiger die Senioren-Kunstliebhaber. Viele sind Wegbegleiter des Künstlers und stammen aus seiner Altergruppe. Mit seinen frischen knapp ü80 Jahren trotzt Volker Franzius allen Lamenti über das entschleunigte, müde spätere Lebensalter.
Die 42 neuen Kunstwerke hat er in kaum mehr als 15 Monaten hergestellt, 11 davon allein seit Jahresbeginn 2024. Das klingt nach einer fruchtbaren - und altersinnovierenden - Mischung aus Kreativität, Gestaltungswillen und Disziplin.
Klangvoll begleitet wird die Ausstellungseröffnung durch das virtuose musikalische Duo Mahiro Kurokawa am Cello und Julian Becker am Piano:
"Er malt nicht mit dem Pinsel, sondern mit einer Rakel"
Die Rakel, eigentlich ein handliches Abziehwerkzeug etwa für Fliesen- oder Spachtelarbeiten, entwickelte sich in den 80er- und 90er-Jahren in den Händen von Gerhard Richter zum exklusiven Malgerät. Auch Volker Franzius hat sich die Rakel-Technik zu eigen gemacht und in seine künstlerische Signatur geschrieben.
Kuratorin Ursula Schallenberg erklärt in ihrer Ansprache seinen Malstil im Wandel.
"Ausgehend von seinen bekannten Streifenbildern, die auch in dieser Ausstellung zu sehen sind, bei
denen er bisher die unterschiedlichen Farben mit der Rakel meist linienförmig und vertikal übereinander aufgetragen hat, kann sein 'aktueller' Malstil, der den Schwerpunktin dieser Ausstellung bildet, wie folgt charakterisiert werden: ..."
"... Mehrfache ganzflächig mit der Rakel nacheinander aufgetragene Farbschichtungen werden nach kürzerer oder längerer Trocknung der Acrylfarben anschließend abgezogen und teilweise abgekratzt, sodass je nach aufgebrachtem Druck mit der Rakel auch die unteren Farbschichten mit neuen Farbnuancen freigelegt werden. Durch diese auch als 'Squeegee' bezeichnete Maltechnik entstehen überraschende Effekte."
Und überrascht und wissbegierig zeigen sich die Vernissage-Besucher.
"Mein bescheidener künstlerischer Beitrag"
Volker Franzius liebt das Bad in der Menge, stellt sich FAQ (oft gestellten Fragen) und lässt sich plaudernd ins "Nähkästchen" schauen.
F: Haben Sie eine Gestaltung vor Augen, wenn Sie anfangen?
A: Nicht, dass ich mir eine Struktur vorgebe, sondern ich such' die Farben aus. Die Farben stehen im Vordergrund, da male ich mehrere Farbschichten übereinander. Acryl trocknet ja nicht ganz so schnell und dann geh' ich mit der Rakel drüber und so kommen tiefere Schichten nach oben und damit ergibt sich eine Tiefe und eine Struktur.
F: Also eher ein Zufall, das fertige Bild?!
A: Ja, der Zufall ist Teil des Schaffensprozesses. Und wenn ich mit einem Bild fertig bin, mach' ich ein Foto und schick's meiner Tochter Stephanie: "Ist das was?" Und sie entweder: "Wow" oder: "Geh' nochmal drüber". Sie ist meine künstlerische Beraterin. So wichtig für mich, ihr Feedback.
F: Sie ist auch Künstlerin?
A: Ja, Modedesignerin. Franzius. In Berlin.
F: Wie wäre das: Ihre Farbkompositionen als Stoffmuster für Ihre Modedesigner-Tochter?
A: Oh ja, schau'n wir mal!
F: Wie sind Sie zur Malerei gekommen?
A: Mein Vater war Architekt und hat aquarelliert. Hab' ich dann auch gemacht, in meiner Berufszeit, aber das war nicht so gut, wie er es machte. Und dann, nach meiner Pensionierung, hab' ich angefangen mit kräftigeren Farben zu malen. Hab' 'ne Profi-Ausbildung gemacht. Ruhestand ist nix für mich.
"Wir waren das Hänge-Team"
Als diplomierter und promovierter Bauingenieur hat Künstler Franzius naturgemäß viel Sinn und Anerkennung für die technische Seite seiner Kunstausstellung.
"Fünf Meter hoch mit 'ner Leiter, oben an der Galerieleiste die Haken einhaken und die Bilder dann aushängen" - das braucht eine konzertierte Aktion, weiß der Technikus.
Tatkräftig und tagelang unterstützt haben ihn dabei Tochter Stephanie Franzius, Schwiegersohn Piet Franzius-Truhlar und Pfarrer Norbert Z-Fischer, eigentlich Ruheständler, aber mit beweglichem Standbein, wenn's für den Maler die Leiter hochgehen muss.
Genuss mit Kunst und Kulinarik
Während viele der rund 70 Besucherinnen und Besucher mit den Bildern, dem Künstler und seiner Ehefrau Maria Theresia Franzius (Foto 2: Mitte) ins Gespräch kommen:
zieht es andere ans Büffet mit seinen hand- und heimgemachten Appetizern und anregenden Getränken.
Derweil gehen die kleinen Geschäfte gut:
Wer (noch) nicht kauft, macht zumindest Schnellschüsse mit der Handy-Kamera - für weitere Überlegungen im heimischen Familienrat.
Zu viel Kommerzielles an diesem Abend würde den Zauber dieser "farbrauschenden" Vernissage am sakralen Ausstellungsort entweihen.
Wer wiederkommen möchte, aus interesselosem Wohlgefallen oder zum Kunsterwerb, kann sich mit Michaela Sener (Bildmitte unten) verständigen. Sie ist Campus-Koordinatorin am Evangelischen Campus Daniel und schließt gern den Kirchsaal für Interessierte auf:
Telefon: 030 861 50 50 und 030 863 90 99 00
E-Mail: buero@campus-daniel.de
Sprechzeiten:
Mo und Mi von 14 bis 16 Uhr
Di und Do von 10 bis 12 Uhr
Der Flyer zur Ausstellung "Farbrauschen", von Fotograf Piet Franzius-Truhlar entworfen, informiert über weitere Daten zum Kunstereignis.
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