DIE HENNING-VON-TRESCKOW-KASERNE IN GELTOW
Ein Ehrenhain zum stillen Gedenken: OP North (Afghanistan). Foto: Hilda Steinkamp
Der Personalausweis gewährt uns Zugang zur Henning-von-Tresckow-Kaserne. Stabsunteroffizier Stephan Gorr und Stabsfeldwebel Ralph Heise führen uns durch den Wald der Erinnerung.
Woran will er erinnern? Er ist ein Ort des persönlichen Gedenkens: für die Familien, die um ihre Söhne und Töchter, Väter und Ehemänner trauern, und für Bundeswehrangehörige, die ihre Kameraden verloren haben. Alle Soldaten, derer hier gedacht wird, haben in Auslandseinsätzen der Bundeswehr ihr Leben gelassen: durch feindliche Aktionen oder durch Unfälle. Diese Gefahr begleitet sie auch in Friedensmission an Kampfstätten im Ausland. Auf der 4500 Quadratmeter großen Anlage in Geltow mit ihrem natürlichen Baumbestand wird die Gedenk- und Erinnerungskultur der Bundeswehr lebendig.
Ein Informationsgebäude dokumentiert die Bundeswehreinsätze im Ausland seit 1992, der „Ort der Stille“ lädt ein zum Verweilen und zu Gedenkfeiern, Namensstelen und Ehrenhaine sind den gefallenen Soldaten gewidmet. Personalisierte Bäume mit Erinnerungstafeln zeugen von vitalen Familienbanden.
Fünf Ehrenhaine – ursprünglich auf dem Balkan und in Afghanistan angelegt – liegen eingebettet in natürlichen Lichtungen des ruhigen Waldes. Soldaten hatten in den Feldlagern ihren gefallenen Kameraden zu Ehren Gedenkstätten errichtet. Nach Abzug der Bundeswehrtruppen wurden die Ehrenhaine aus den Einsatzländern nach Geltow überführt und originalgetreu wiederaufgebaut. Die Ehrenhaine aus Mazar-e Sharif (Afghanistan) und in Prizren (Kosovo) sollen folgen, sobald die Einsätze dort abgeschlossen sind.
Am Ehrenhain OP North (Afghanistan) halten wir bei unserem Rundgang länger inne. Fünf Kreuze aus Holz, im lichten Schatten des Waldes vom Sonnenlicht erhellt, wirken ästhetisch in ihrer Todessymbolik. Auf den Querbalken je ein Name der Toten, mit Geburts- und Todestag. Die Kreuze schützt ein militärischer Abwehrbau, eine „Hesco Wall“ – ein mit Steinen gefülltes Stahlgitternetz. Auf der Mauer drei Antriebskränze eines Schützenpanzers mit den Namen der Soldaten, die 2011 durch einen afghanischen Wachposten erschossen wurden, erfahren wir. „Das sind alles natürliche Materialien aus den Feldlagern. Die Soldaten wollten für ihre gefallenen Kameraden eine schlichte und würdige Erinnerungsstätte bauen“, erzählt Stephan Gorr. „Es kam ihnen nicht auf Prunk an, sondern auf Respekt für die Toten.“ Gelebte Kameradschaft. „Die Mutter von Konstantin Menz, der in OP North ums Leben kam“, berichtet Gorr weiter, „hat sich für die Erinnerungsarbeit engagiert und diesen Ort mit ins Leben gerufen.“
Warum eigentlich Geltow am abgelegenen Schwielowsee – so die frühe Kritik – als Standort für den Wald der Erinnerung? Warum nicht ein zentraler Ort, etwa in der Hauptstadt? „Die Nähe zum Einsatzführungskommando war entscheidend“, klärt uns Ralph Heise auf. „Und das ist nun mal hier, in der Henning-von-Tresckow-Kaserne in Geltow. Von hierher erhalten die Soldaten ihren Befehl für ihren Auslandseinsatz und hierher holen wir sie wieder heim.“ An zentraler Stelle in Berlin, im Verteidigungsministerium, gibt es seit 2009 das Ehrenmal der Bundeswehr: die offizielle Gedenkstätte für alle rund 3200 militärischen und zivilen Bundeswehrangehörigen, die seit der Gründung der Bundeswehr 1955 in Ausübung ihres Dienstes starben.
Eingeweiht wurde der Wald der Erinnerung am 15. November 2014, dem Vortag des Volkstrauertags, in feierlichem Rahmen mit 800 Gästen: Hinterbliebene und Vertreter von Militär, Kirche und Politik. Jährlich wiederholt sich die Gedenkfeier am „Ort der Stille“. Das Konzept für den Wald der Erinnerung ist einmalig in Deutschland, einzigartig europa- und weltweit. Jedes Jahr kommen etwa 10.000 Besucher – Schüler und Studenten, Wehrbeauftragte und Verteidigungsminister aus dem Inland wie auch aus dem fernen Japan und China, königliche Hoheiten aus Holland … und Zivilisten wie wir. Niemand spricht von Heldenverehrung. Jeder würdigt durch seinen Besuch die Bundeswehrsoldaten, die im Einsatz für unser Land ihr Leben verloren.
„Durch die individuellen Geschichten zu einzelnen Schicksalen kehrt ein Hauch von Leben zurück in die Toten“ (Gästebuch).
Hilda Steinkamp
Erstveröffentlichung: Havelbote 09/2020, S. 4
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