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  • AutorenbildHilda Steinkamp

"Das Spirituelle deiner Bilder passt sehr gut in den Kirchenraum" in Petzow

Aktualisiert: 22. März 2023

Malerin Christiane Brandt zeigt Bilder von "Menschen und Räumen"

Eine Freundin der Düsseldorfer Künstlerin Christiane Brandt nennt die Verbindung zwischen Kirche und ihrer Kunst "das Spirituelle".

"Ihre Bilder haben etwas Architektonisches"

sinniert Ehemann Thomas Brandt auf der Vernissage "Menschen und Räume" am 12. März 2023 in der Kulturkirche Petzow / Werder. Der Vater der Künstlerin war Architekt und Baukirchenmeister. "Und daher ist sie mit Architektur groß geworden. Ihre Bilder passen deshalb gut in einen Kirchenraum, und dann noch in eine Schinkelkirche, wo alles einfach, aber stark in der Form ist."

Und was sagt die Künstlerin selbst zu ihrem Kunstschaffen?

"Zum Beispiel das Halbrund in der Kirche"

in der Apsis, der Orgel und den Fenstern "taucht auch in den Bildern auf, es vereinfacht, beruhigt. Es gibt nie grelle Farben in meinen Bildern, auch das passt. Und es ist ganz oft von Rückzug und von Schutz und von Hell und Dunkel in meinen Bildern die Rede und damit auch von Gefährdung und von Befreiung."

Schutzräume in städtischen Kontexten

Christiane Brandt illustriert ihr künstlerisches Gestaltungsprinzip anhand eines Gemäldes, das sie "Blaues Hemd" betitelt hat.

Christiane Brandt, "Blaues Hemd"

"Die Frau dort zum Beispiel hängt draußen Wäsche auf und dabei kommt der Wind in das Hemd, sodass sich ein perfektes Oval ergibt. Für mich ist das so wie eine Schutzkuppel. Wenn man genau hinschaut, bemerkt man, dass die Wäsche, die dahinter hängt, dunkler ist und vom Wind bewegt wird, während das Hemd auf wundersame Weise nicht bewegt wird. Und so entsteht in der Mitte eine Art Schutzraum, in dem man einen Ausblick nach oben auf etwas Himmlisches geschenkt bekommt."


Ein Lichtblick in der alltäglichen Plackerei einer Hausfrau? Ob christlich, ob weltlich - das mögen die Kunstbetrachter für sich entscheiden. Zumindest wird uns Zuhörenden und Schauenden klar, dass die erklärenden Worte der Künstlerin uns vom Bild zum Sinnbild führen.

"Damit gesehene Bilder zu inneren Bildern werden

und in neuen Zusammenhängen gemalte Poesie, muss man sich bedingungslos ausliefern, muss man ganz bei sich sein, um die feinen Resonanzen zu spüren, die sich im eigenen Innern ereignen." Thomas Brandt spricht aus der Erfahrung eines Ehepartners und Kunst- und Architekturhistorikers, der seine Frau vor 50 Jahren an der Kunstakademie Düsseldorf kennengelernt hat. Und seither immer wieder auf verständnisvolle Distanz zu ihr gegangen ist, denn Kunstschaffen, so weiß er, "ist ein einsames Geschehen, bei dem selbst der vertrauteste Mensch nur stören kann" (aus dem Katalog zur Ausstellung, Christiane Brandt, racconti misteriosi [Rätselhafte Geschichten]).

Die Stadtarchitektur in Christiane Brandts Bildern

- in Aquarellen wie Holz- und Linolschnitten - spannt einen weiten Boden: von Industrieanlagen mit maroder Ästhetik in Saarbrücken und modernen Betonfassaden in Düsseldorf, über Kanäle und Brücken in Venedig, das Gassengewirr von Neapel und die Bogenelemente in Roms Sakralbauten bis hin zur urbanen Ästhetik von Paris. Und in diese Räume setzt die Künstlerin als Protagonisten Menschen ein: Eilende, Gehetzte, Schutzsuchende, aber auch Verweilende, Auftankende, Geschützte und selbst Schutzgebende. Niemals wollen ihre Stadtansichten topografische Räume wiedergeben. Obwohl sie auf mehrwöchigen Reisen vor Ort war, wegen der authentischen Anschauung und Inspiration, skizziert und fotografiert hat. Ihre künstlerische Bildgenese verläuft anders: Als empathische Beobachterin menschlicher Schicksale transformiert die Malerin im zeitversetzten Nacherleben ihre "Seherlebnisse der Außenwelt", wie Thomas Brandt sie nennt, zu Bildern ihres inneren Empfindens (vgl. meine Ankündigung der Ausstellung im Blog: https://www.schwielowschwatz.de/post/stadtansichten-als-erlebnisbilder-der-malerin).


Hier geht's per Klick am mittleren rechten Bildrand durch einige von Christiane Brandts "Menschen und Räumen":

"Das, was ich sehe, hat mich tief bewegt"

Zwei Bilder auf der Ausstellung "Menschen und Räume" fangen und halten meinen Blick und bewegen mich tief.

Ein "Umzingeltes Haus" (links) in der Mitte einer Industriearchitektur wirkt auf den Betrachter wie ein Rückzugsort, in den man allerdings als Außenseiter nicht eindringen kann (keine Eingangstür), dessen hell erleuchtetes Fenster jedoch Ziel und Geborgenheit ausstrahlt. Einem Navigationspunkt gleich zieht das Fenster arbeitende Menschen an, deren Lebensraum von ihrer schwerindustriellen Arbeitswelt umschattet wird. Industriearbeit - ein ewig gleiches Dasein ohne Ausweg, die Arbeiter feindlich "umzingelt" im alternativlosen Erwerbsleben, im Bild wie im Leben gar nicht als Individuen sichtbar. Der Rückzug ins Haus, in den privaten Schutzraum - ein existentieller Gegenentwurf der Künstlerin.


Der Bildtitel "Drei Häuser"(Mitte) klingt so schlicht, wie die baulichen Bildelemente aussehen: mehrgeschossige, schnörkel- bis gesichtslose, festungsähnliche Giebelhäuser mit wechselnden Farbfassaden. Starke Bauten wie für die Ewigkeit gemacht. Eckig, kantig. Wehrhaft mit ihren Fenstern schmal wie Schießscharten. Die umgebenden Asphaltflächen, vor allem die gläsern wirkende nasse dunkle Fläche vorn mit dem verzerrten Spiegelbild der Fassaden, minimieren die Standfestigkeit der Baustruktur. Die Fassaden könnten jeden Moment nach vorn auf die helle Fläche kippen, in sich zusammenfallen. Wie ein Kartenhaus kommt mir diese Architektur vor. "Wir meinen doch immer nur, festen Boden unter den Füßen zu haben", kommentiert die Künstlerin.


Es fasziniert mich, wie an diesem lichten Märztag der Kirchenraum seine eigene Lesart der Bildbedeutung hinzugibt (Foto rechts), flüchtig im schwindenden Nachmittagslicht: Im fotografierten Glas des gerahmten Bildes spiegeln sich die Kirchenfenster hinter mir, übergroß, leuchtend, dennoch vergittert - wie zaghafte Lichtblicke aus der dichten urbanen Flächenbebauung, aber im Gitterblick. Selbst in den verschlossenem Wohnraum der "Drei Häuser" scheint der Lichtreflex auf der monochromen Seitenwand einen Einblick geben zu wollen. Kunst im Kirchenraum - eine geglückte lebendige Symbiose.

"Mit vollem Enthusiasmus eingestiegen"

ist Christiane Brandt 1980 als "ganz junge Lehrerin. Und das haben wir natürlich gern angenommen", schwärmt Wolfgang Grassl heute noch, ein Schüler ihres ersten Jahrgangs, der auf der Vernissage an ihrer Seite ist. "Und der Kunstunterricht bot ja mehr Freiheiten als der Regelunterricht an einem humanistischen Gymnasium in Düsseldorf." Hat sich der begeisterte Kunstschüler von damals auch beruflich inspirieren lassen? Ein langgezogenes "Neee" ist die bescheiden klingende Antwort. "Ich bin Architekt geworden." Wie? Liegt doch nah dran an der Kunst! Und in Christiane Brandts Arbeiten fließt beides zusammen. Auf "wundersame Weise", wie sie sagen würde.


"Mit Ihren Stadtansichten eröffnen Sie uns ganz neue Spektren,

andere Räume, spannende Impulse für unsere Gespräche mit Ihnen heute und für die nächsten vier Wochen, so lange wie die Ausstellung läuft." Doris Patzer, Kulturreferentin beim Veranstalter Landkreis Potsdam-Mittelmark, hat nicht zu viel versprochen, als sie die Ausstellung eröffnet, in musikalischer Umrahmung durch Polina Braun am Klavier, Nachwuchsbegabung aus Potsdam und Schülerin der Kreismusikschule Engelbert Humperdinck in Potsdam-Mittelmark.


"Die Kunst ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel für das Gespräch mit den Menschen",

wusste schon der russische Komponist Mussorski (1839-1881). Ähnlich scheinen auch die Besucher auf der Vernissage am 12. März 2023 in der Kulturkirche Petzow zu empfinden. Die Gespräche über "Menschen und Räume" reißen nicht ab. Klicks auf dem Pfeil rechts im Bild führen durch die Gesprächsrunden:


Zweisprachiger Ausstellungskatalog im Kirchenraum € 10

Die Ausstellung "Menschen und Räume"


in der Kulturkirche Petzow


14542 Petzow / Werder


Fercher Str. 52


läuft noch


bis zum 09. April 2023.


Öffnungszeiten:


samstags / sonntags,


13 - 16 Uhr (März)


11 - 18 Uhr (April).


Der Eintritt ist frei.




Veranstalter: Landkreis Potsdam-Mittelmark

www.Potsdam-Mittelmark.de

Kulturreferentin Doris Patzer

Tel. 033841 - 91442

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