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Cultura e. V. schreibt Fotogeschichte(n)

Aktualisiert: 28. Okt. 2021

Eröffnung der Fotoausstellung "Blick zurück nach vorn" im Rathaus Schwielowsee

Cultura e.V. mit Bürgermeisterin Kerstin Hoppe

Am Samstag, dem 2. Oktober 2021, ist es soweit: Die jüngste Ausstellung von Cultura e.V. mit Fotoarbeiten ihrer Mitglieder zu Erlebnissen und Ereignissen nah und fern wird eröffnet, endlich, nach neun Monaten eingefrorener Kulturlandschaft in der Gemeinde.

Prof. Dr. Krystyna Kauffmann, die Vorsitzende des Vereins, dankt Bürgermeisterin Kerstin Hoppe herzlich für ihre freundliche Aufnahme des Vereins, seiner Fotos und Gäste im Gemeindehaus.

Kerstin Hoppe gibt Lob und An-erkennung zurück: "Wir sind immer dankbar, wenn wir ein Rathaus haben, das nicht stupide ist, sondern von Bildern, von Geschichten geprägt ist. Und das ist hier in der Tat der Fall.

Schön, wie Frau Kauffmann uns immer wieder zeigt, dass sie ein Mensch ist, der versteht, mit Schwung und Initiative und mit Überzeugungs-kraft alle mitzunehmen und immer wieder neue Impulse zu setzen, und das - muss ich mal sagen - , obwohl sie nicht gerade erst Rentnerin geworden ist... Danke an Sie alle!"


Gebäude erzählen Geschichten - von Hollywood-Glamour und Afghanistan-Grauen

Zwei Fotos - zwei Welten. Diese beiden sind mein Einstieg in die Cultura-Ausstellung.

Das linke stammt von Thomas Wiersberg, es zeigt Schloss Marquardt bei Potsdam in seinem heutigen baufälligen Zustand. Rechts das Foto von Karsten Gericke mit einer 2005er-Ansicht vom ruinösen ehemaligen Königspalast vor den Toren Kabuls. Zwei Bauten, die bessere Zeiten gesehen haben, aber von den beiden Fotografen perspektivisch unterschiedlich festgehalten werden.


Ich recherchiere. Schloss Marquardt war ab dem späten 14. Jahrhundert Sommersitz oder Wohnort adeliger Familien, großbürgerliche Industrielle übernahmen zum Ende des 19. Jahrhunderts, bauten an und um, das Hotelunternehmen Kempinski logierte dort ab 1932, Lazarett und Versorgungslager waren kriegsbedingt ab 1939 neue Nutzungsformen, nach dem 2. Weltkrieg fanden Heimatvertriebene dort Unterschlupf, zu DDR-Zeiten war Obstproduktion angesagt, nach der Wende scheiterte ein Hotelneubau, seit 1998 liegt das Schicksal der Anlage in den Händen einer Immobiliengesellschaft. Heute steht das Schloss meist leer und verfällt. Bis auf Foyer, Festsaal und Nebenräume, die ein Castle-Manager als Event-Location vermietet, für private Feiern, Bälle oder Ausstellungen. Oder als Drehort für Film-Crews. Steven Spielberg und Tom Hanks etwa brachten 2014 für ein paar Monate Hollywood-Flair in das alte Gemäuer: mit den Dreharbeiten für die Potsdam-Geschichte Bridge of Spies - Der Unterhändler. Schönheit und Potential im maroden Gemäuer mit der Kameralinse aufzuspüren - das ist für mich die Bildnachricht von Thomas Wiersberg.

Da-rul-Aman - "Palast der sicheren Stadt" wurde 1919-29 im Auftrag des damaligen reformwilligen Königs Amanullah von deutschen Ingenieuren in Afghanistan errichtet, nach dem architektonischen Vorbild des Reichstagsgebäudes in Berlin. 700 ausgebildete einheimische Fachkräfte gehen auch auf das Konto der deutschen Aufbauarbeit und Völkerverständigung. Seine ursprüngliche Bestimmung als Sitz von Parlament und Regierung hat der Palast nie erlebt, Demokratie blieb ein Fremdwort, der König wurde abgesetzt, Stammesälteste setzten in traditioneller Manier ihre tagelangen Beratungen in Zelten fort. Das Gebäude stand leer, stand in den 1960er- bis 90er-Jahren bei Machtkämpfen rivalisierender Gruppierungen unter Beschuss und brannte mehrmals aus, zuletzt im Bürgerkrieg, bis auf das Gerippe der Palastruine, wie sie in Karsten Gerickes Foto von 2005 zu sehen ist. So weit meine Quellenstudie.

Karsten Gericke war 2005 vier Monate vor Ort, als Soldat der Bundeswehr, die sich im US-geführten Militäreinsatz ab 2002 mit einer Stabilisierungsmission an der Operation Enduring Freedom beteiligte, wobei Soldaten auch in schwere Gefechte gerieten. Die Plane eines Militärfahrzeugs im Vordergrund seines Fotos deutet auf die militärische Nutzung des Palastes als Beobachtungsposten der ISAF (International Security Assistance Force) hin.


2004 war der Wiederaufbau des Palastes zum zukünftigen Sitz der frisch zu bildenden afghani-schen Regierung nach demokratischem west-lichen Vorbild beschlossen worden, wieder mit Hilfe deutscher Unterstützung in Form von Stiftungsgeldern und Ingenieurskunst. 2019 fand die Eröffnung statt.

Nur zwei Jahre später, nach dem chaoti-schen Abzug der internationalen Sicher-heitstruppen, übernehmen 2021 erneut radikalislamistische Taliban-Milizen das Kommando in Kabul. Ein erneuter Rückfall in totalitäre Strukturen und anachronisti-sches öffentliches Leben ist zu befürchten.


Karsten Gerickes Foto vom ruinierten afghanischen Königspalast ist 2005 ein zeitaktuelles dokumentarisches Militärfoto. Aus heutiger Sicht gewinnt es an Tiefenschärfe. Und die ist nicht fototechnisch, sondern geschichtsträchtig. Sein Foto steht 2021 rückblickend genau im Schnittpunkt zwischen zwei angebahnten, aber letztlich gescheiterten bzw. vom Ruin be-drohten demokratischen Reformbewegungen.

Zwischen diesen beiden Polen sind die Fotos der Ausstellung angesiedelt, erklärt Thomas Wiersberg, promovierter Wissenschaftler der Geomechanik in Potsdam und passionierter Fotograf, zur Eröffnung der Ausstellung:

  • Fotos, die künstlerische Aussagen machen,

  • Fotos, die dokumentieren.



"Unsere eigenen Erlebnisse in der weiten Welt"

So nennt Krystyna Kauffmann den Fotoreichtum auf der Ausstellung.


Und so sieht der bunte Reigen fotografischer Werke aus, der auf den Fluren und im Sitzungssaal des Gemeindehauses in Ferch zu sehen sind. Entscheiden Sie selbst - auf Ihrem Rundgang durchs Rathaus oder durch diesen Blog -, welche der Bilder auf Sie künstlerisch, welche dokumentarisch wirken. Ein Thema gibt es immer zu entdecken. Und kunstvoll sind sie allemal!


Die Antarktis: Simona Pierdominici teilt als Geologin berufliche und Reiseinteressen mit ihrem Ehemann Thomas Wiersberg - und den fotografischen Blick für gigantische land-schaftliche Formationen und ungewöhnliche Begegnungen.


Brasilien: Barbara Lamla fängt farbenfrohes Leben in einem Fischerdorf ein.

Als Kulturwissenschaftlerin hat sie ein waches Auge für situativ Bedeut-sames in bescheidenen Lebens-formen. Ihre Kamera hält diesen kuriosen Moment fest, als ein Fischer nach dem Fang sein üppiges Netz mitsamt seinen Schwimmkugeln hochgetürmt auf seinem Kopf zurück in seine Lehmhütte trägt - wie eine schmuckvolle Riesenperücke auf einem feierlichen Empfang. Dieses lebensfrohe Foto wurde auf Wunsch von Heiratswilligen vor die Tür des Standesamts gehängt - als Omen für einen fröhlichen Start in einen langen, keineswegs langatmigen Ehealltag. Abgehängt an einer anderen Stelle auf dem Flur wurde an dieser Schwelle zum Eheglück die desaströse Palastruine aus Afghanistan.

Petzow: Die Schinkelkirche auf der Fercher Straße öffnet sich Besuchern nur noch an Wochenenden zu ausgesuchten Kultur-veranstaltungen - und dem Kamerablick von Thomas Wiersberg.








Der Glindower See: Eine Baumgruppe im herbstlich getönten Spiegelbild des Wassers und im Fokus der SR-Kamera des Fotografen Wiersberg.







Landschaften und Bäume: Christine Stoof, Ingenieurin der Versorgungstechnik und Schatzmeisterin des Vereins, ist den botanischen


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auf der Spur.













Argentinien: Als Leiter des Auslandsbüros der Adenauer-Stiftung war Christoph Korneli von 2005 - 2010 stationär in Buenos Aires zu Hause und mobil im Südzipfel Argentiniens im Urlaub unterwegs. Zur rechten Zeit am rechten Ort schoss er diese Schilder-Fotos. Das linke mit einem Gespür für Situationskomik: "Glückliche Reise. Wir wünschen Ihnen, dass Sie hierher zurückkehren", ist dort auf Spanisch zu lesen - das hat der Fischerkahn im Bildhinter-grund so eben noch geschafft. "Abgesoffen hieven sie ihn gerade aus dem Wasser. Glückliche Rettung", kommentiert der Fotograf.

Auf 4890 Metern über dem Meeresspiegel kann die Luft schon mal dünne werden. Kornelis damals 10-jährigem Sohn wurde mit dem Schild im rechten Bild ein unfreiwilliges Denkmal gesetzt.


Caputh: Vor dem Schloss Caputh tanzt zum Auftakt der Ausstellung "Hier war Fontane", ein 2019er-Projekt der Cultura e.V. zum 200. Geburtstag des Schriftstellers, die Anett Simmen Company VoLa und interpretiert mit Artistik und poetischer Bewegung ausgewählte Szenen aus Fontanes Werken. Caroline Hauptmann, Umweltökonomin, liebt Begegnungen mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und hält diese Tanz-Performance "Fontane am Schwielow" in Bildern fest.


Schlosspark Marquardt in Farbe und in Infrarot - Thomas Wiersberg experimentiert im schönsten Nebenberuf mit Fototechnik und füllt mit seinen Bildern seit 1990 Einzel- und Gruppenausstellungen, erst im Heimatort Bonn, dann in Berlin, Potsdam und Schwielowsee.


Kalligraphie: Ortrun Richter setzt den Vereinsnamen in Schriftkunst um.









Nepal: Krystina Kauffmann war zweimal im Land des Himalaya Gebirges. "Das erste Mal acht Wochen während der Vorbereitungn zum Flug auf den Mount Everest. ... Ich hatte viel Zeit, die dortige Lebensweise zu beobachten", schreibt sie mir per Mail und hängt aus ihrem Speicher ihre beeindruckenden Fotos "aus einer anderen Welt" mit ihren eigenen Kommentaren als Lesehilfe an.


"Es ist die Klosterschule. Dort lernen und leben die Kinder. Auch oft, weil der Weg zu einer Schule einen Tag dauern kann. ... Es ist die Sonne auf 2700 m Höhe. Das Gerät an der Seite stammt vom Deutschen Hilfswerk und ist dort auf der Höhe sehr verbreitet. Sonnenkollektor, auf dem man die Suppe kochen kann."



"Aus allem kann man eine funktionierende Maschine bauen. Das Alter der 'Arbeiter' und die Sicherheitsmaßnahmen spielen kein Rolle."







"Stolz der Familie": "Wie man in der "Moderne Gestaltung der Werbung" Öffentlichkeit arbeitet und lebt"

Krystyna Kauffmanns Lieblingsbild: "Leicht bergauf"


"Der Blick zurück zeigt uns den rechten Weg nach vorn"

So widmet Krystyna Kauffmann den Titel der Ausstellung um.

Und Thomas Wiersberg ergänzt: "Diese Rückschau ist keine Nabel-schau. Der Rückblick auf Erlebtes und fotografisch Inszeniertes gibt uns Kraft und Energie weiterzumachen."


Der Reichtum an kulturellen Bildnachrichten, die ich in der aktuellen Ausstellung wahrgenommen habe, gibt beiden Cultura-Mitgliedern recht. Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen möchte, kann dies noch bis zum 31. Dezember 2021 in den Ausstellungsräumen des Fercher Rathauses tun.


In den fast neun Jahren ihres Bestehens hat der "Verein zur Förderung von Kunst und Kultur in der Region Schwielowsee" eine Reihe von Recherchen zum kulturellen Erbe der Gemein-de angestrengt und in eindrucksvollen Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein jüngstes Beispiel ist die Dokumentation "Gertrud Feiertag und das jüdische Landschul-heim Caputh - Spuren von heute", die in diesem Sommer im Schloss Caputh zu sehen war - ein wertvoller Beitrag zur politischen Bildung und informierten gesellschaftlichen Teilhabe.

Im Blick zurück auf die aufwändige Quellenrecherche zu dieser historischen Aufarbeitung dankt Krystyna Kauffmann mit einer kollegialen Umarmung und einem guten Tropfen, "weil Sie ja ein Mann sind und keine Blumen brauchen", Karl Günsche, dem Chefredakteur des Havelboten, herzlich für "Sachen, die Sie für mich herausgefunden haben, an die ich nie rangekommen wäre."


Erst Dankesworte, dann Blumen für die Mitglieder des Vereins

Krystyna Kauffmann resümiert: "Wir sind eine Gruppe von ursprünglich fremden Leuten. Jeder von uns ist ja aus einer so ziemlich weiten Gegend oder ist niemals Caputher gewesen. Man könnte sagen, dass jeder aus einem anderen Kulturkreis gekommen ist, und trotz allem arbeiten wir zusammen. Warum? Weil uns eine Idee überzeugt: die Region, in der wir zeitweise gern leben, gemeinsam kennenzulernen und ein Bild davon künstlerisch zu entwickeln, obwohl wir ursprünglich keine Künstler sind. Und das erweitert unsere Horizonte."

Und nach den Klängen eines letzten, argentinischen Stücks aus dem Repertoire von Brigitte Breitkreuz an der Gitarre geht die Vorsitzende mit sanfter Selbstironie über zum Verteilen von Sympathien und Herbststräußen:


"Danke, dass wir immer noch zusammen sind, und danke, dass ihr es aushaltet mit mir zusammen."




"Wir kommen eigentlich alle immer wieder gern nach Caputh zurück, nech?!"

Für die Ortsverbundenheit und den Zusammenhalt untereinander braucht es keines suggestiven Nachdrucks vonseiten der Vorsitzenden. Fotos sprechen für sich, wie schon auf der Ausstellung:

Der Verein Cultura e.V. hält zusammen. Aber wäre nicht uninteressiert daran, sich für frische Mitglieder und Talente zu öffnen. So hörte ich.


Neugierige und Interessierte können hier weiterkommen: www.cultura-schwielowsee.de

Prof. Dr. Krystyna Kauffmann: kkauff8@aol.com; 0171 4133089

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