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  • AutorenbildHilda Steinkamp

"Auf Flügeln des Gesanges ..." - Romantischer Liederabend mit Lesung in Petzow

Mit Katharina Landl am Flügel und Gesang von Burkhard von Puttkamer


"... trag ich dich fort"

Ein beflügelndes Klangerlebnis verspricht Heinrich Heine im Buch der Lieder (1822-23), aus dem die Titelzeile stammt und Bariton Burkhard von Puttkamer seinen ersten Gesangsbeitrag für den romantischen Liederabend in der Kulturkirche Petzow am 5. Mai 2022 wählen wird. Aber noch ist es nicht so weit mit dem "seligen Träumen", wie Dichter und Sänger ihrem Publikum in Aussicht stellen.


Dennoch - hier schon eine visuelle und klangliche Kostprobe vorweg vom Liederabend "Im Abendrot" in Petzow: https://studio.youtube.com/video/UNrU7Z3W14U/edit

Burkhard von Puttkamer, weltweit konzerterprobter und beachteter Bariton aus Berlin, interpretiert Felix Mendelssohn Bartholdys Vertonung (1827) von Heines Gedicht "Auf Flügeln des Gesanges", und Katharina Landl begleitet ihn am Klavier. Als Wahl-Berlinerin aus Österreich mit europaweitem preisgekrönten Konzertleben weiß sie Petzow als Kleinod für romantische Musikkultur zu schätzen.


Auf Flügeln des Gesanges,
Herzliebchen trag’ ich dich fort,
Fort nach den Fluren des Ganges,
Dort weiß ich den schönsten Ort.  
...
Dort wollen wir niedersinken
Unter dem Palmenbaum,
Und Liebe und Ruhe trinken,
Und träumen seligen Traum.

Doch zunächst erwartet die Gäste aus der Schweiz eine kurze Wanderung mit zwei Lesestationen vom Busparkplatz unten an der Straße hinauf auf den Grelleberg zur Kirche.

Unter den maigrünen Laubdächern der Parkbäume verweilt Katharina Landl mit den Konzertgästen und nimmt sie mit auf eine virtuelle Kahnfahrt über die Havel von Caputh nach Petzow. Geschildert hat sie Theodor Fontane in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg (1862). Gelesen wird sie von der Pianistin, "eine Premiere - Katharina in der Vorleserrolle", lobt ihr Musikpartner:

Der Schwielow ist breit, behaglich, sonnig und hat die Gutmütigkeit aller breit angelegten Naturen. ... Ihn zu befahren in seiner ganzen Breite, war seit langem mein Wunsch. Heute bot sich die Gelegenheit. Der Wind war gut, ein regelrechter Südost. An der Fährstelle zu Kaputh lag das Boot ... Wir waren jetzt in der Mitte des Sees, die Sonne stand hinter einem Gewölk, so dass alles Glitzern und Blenden aufhörte ... Ein Waldkranz, hier und da von einzelnen Pappeln und Ziegelessen überragt, fasste die weiten Ufer ein; vor uns, unter Parkbäumen, Petzow und Baumgartenbrück, nach links hin, an der Südspitze des Sees, das einsame Ferch. 
Foto: Nicole Ahlers

Eine literarische Entschädigung für die verpasste reale Schiffsfahrt auf dem Luxusliner Excellence Coral, der die Schweizer Kulturtouristen auf einem beschaulichen Wasserweg hätte transportieren sollen: von Magdeburg über den Elbe-Havel-Kanal und weiter über die Havel nach Potsdam in den Schwielowsee bis zum Anleger in Petzow. So war's geplant und über Medien und Blog vorangekündigt. Doch blieb das Flusskreuzfahrtschiff mit seinen majestätischen Maßen von 82 Metern Länge und 9,5 Metern Breite beim Rückwärtsmanöver in einer der Kammern der Doppelsparschleuse Hohenwarthe im Wasserstraßenkreuz Magdeburg stecken. Die Gäste kamen auf dem nüchternen Landweg per Reisebus nach Petzow. Dabei ist der geringe Tiefgang der Schiffsschönen von nur einem Meter und fünf Zentimetern bestens geeignet für Schleusen und wäre es auch für das flache Gewässer von Havel und Schwielowsee gewesen. Wusste schon Fontane - so lauschen wir der Lesung von Katharina Landl -, dass

die weite Wasserfläche, die jetzt diesen Namen führt, mehr durch ihre Masse als durch ihre Tiefe imponiert: der Schwielow hat ganze Striche, wo man Grund fühlen, noch andere, wo man ihn durchwaten kann. 

Die Nachricht vom unfreiwilligen Schleusenaufenthalt des Schweizer Kabinenfahrgastschiffes ruft Fontanes Wasserwarnung wach. Er hatte die Tücken der Flussfahrt auf der kleineren Schwester Havel selbst erlebt und in seinen Wanderungen für die Nachwelt festgehalten. Katharina Landls Stimme wird eindringlich:

Der Schwielow ist gutmütig, so sagten wir; aber wie alle gutmütigen Naturen kann er heftig werden, plötzlich, beinahe unmotiviert, und dann ist er unberechenbar. Eben noch lachend, beginnt ein Kräuseln und Drehen, nun ein Wirbel, ein Aufstäuben, ein Gewölk – es ist, als führe eine Hand aus dem Trichter, und was über ihm ist, muss hinab in die Tiefe. ... Es gibt ganze Linien, wo die gescheiterten Schiffe liegen.

Drama pur. Doch die Gemütswellen im Publikum glätten sich wieder. Denn Konzertveranstalter Burkhard von Puttkamer "weiß, wie Friedrich Wilhelm IV., der Preußenkönig" und Bauherr von Kirche und Herrenhaus in Petzow "mit dem Boot sich hier abends hat rausfahren lassen, an diese Landzunge, und einfach unter den Bäumen gelegen hat und die Schönheit der Natur hat auf sich wirken lassen."

Allerdings wird das heuer nichts mehr mit exklusiven Skipper-Bootsfahrten und herrschaftlichem Gelage, die heutigen Petzow-Besucher sind bürgerlich geerdet und applaudieren der Vorleserin stehenden Fußes nach ihrem Vortrag und erklimmen die letzten Meter der Anhöhe zur Dorfkirche.




"Dort weiß ich den schönsten Ort ..."

verheißt Heinrich Heine in seinem Gedicht und meint damit ganz im Sinne seines zeitgenössischen Lebensgefühls einen fernen Fluchtpunkt für Liebende in der Epoche der deutschen Romantik. Für Burkhard von Puttkamer und seinen Schweizer Geschäftskontakt Swiss Excellence River Cruise GmbH lag das Schöne greifbar nahe im Havelland, als sie für den kulturellen Schlusspunkt der Flusskreuzfahrt ihren Konzertraum wählten:

die Kulturkirche Petzow, 1842 fertiggebaut nach Stararchitekt Schinkels Plänen im neuromanischen Stil ohne ornamentale Schnörkel früherer Epochen, eine "entzauberte Kirche", wie Fontane murrte, die seinen "Sinn erkalten" ließ, Nachgeborene dagegen immer noch verzaubert, seit 1988 ein entwidmeter Sakralbau ist und seither als höchstwillkommene kulturelle Event Location mit viel gelobter Akustik im Kirchenraum besucht wird. Und nicht nur im Mai während des Fliederblütenrausches ausgebucht ist für standesamtliche wie kirchliche Ehegelöbnisse.

"Dort wollen wir niedersitzen / Unter dem Palmenbaum ..."

so klingt es verlockend in Heines Versen. Nun ja, die Topfpalmen in der Dorfkirche können vielleicht mit dem Motiv der romantischen Sehnsucht nach einem südlich inspirierten idealen Naturraum nicht ganz mithalten. Aber eine lauschige Ersatzstimmung verbreiten sie allemal im einfallenden Sonnenlicht des frühen Abends.


Auf zur zweiten Lesung im Torbogen der Kirche! Wir hören von Fontanes ambivalenter Haltung: zu einer als schmucklos disqualifizierten Kirche wie zu seinem begeisterten 360°-Kirchturmblick auf die Havelauen, einem "Landschaftsbild im großen Stil, nicht von relativer Schönheit, sondern absolut". Diese wohlbekannten Worte sichern dem Dichter posthumen Glanz vor Ort.

Mit dem Motto des heutigen Liederabends, "Im Abendrot", schließt Katharina Landl den literarischen Teil des Kulturvergnügens ab. Dieses Gedicht von Karl Gottlieb Lappe (1818), das Franz Schubert 1825 vertonte, wird in seiner musikalischen Darbietung den Abend in der Kulturkirche beenden.


Das Künstler-Duo bittet das literarisch wie landschaftlich eingestimmte Publikum zum musikalischen Part der Veranstaltung in den Kirchenraum.


"Und Liebe und Ruhe trinken /
Und träumen seligen Traum"

Breit spannen sich die "Flügel des Gesangs" im Kirchenschiff aus. Facettenreich zwischen Liebessehnsucht, -erfüllung und -verlust lassen Bariton und Pianistin uns durch diesen frühen Abend im Mai hin- und herschwingen. Ganz recht hatte Burkhard von Puttkamer, als er kurz zuvor unter den Parkbäumen bekannte, dass an diesem Ort "eine eigene Schwingung vorhanden ist. Ganz kann ich mich dem auch nicht entziehen."


Und auch die Zuhörer wollen es nicht. Sie lauschen gebannt ebenso den bittenden, werbenden, frohlockenden und jubelnden wie den flehenden, trauernden, drohenden und zornigen und auch den verzweifelten, beschwichtigenden, erleichterten und glückseligen Klängen aus des Sängers Kehle und der Pianistin Klaviatur.

Pate gestanden für die Vertonungen von Felix Mendelssohn Bartholdy haben Heine, Goethe und Eichendorff mit ihrer romantischen Lyrik. Zu seiner zweiten Liederfolge stimmt der Bariton sein Publikum auf ein anderes Hörerlebnis von Gesang und instrumentaler Begleitung ein:


Johannes Brahms (1833-1897) ist ja historisch schon eine ganze Ecke weiter als Mendelssohn (1809-1847), der sich in seinen Liedern noch sehr an das Goethe'sche Diktat gehalten hat von strengen, sich wiederholenden Formen. Bei Brahms hören Sie schon, dass das Klavier eine ganz andere Poesie verströmt, ein sehr viel eigenständigeres Leben bekommen hat. So ist eigentlich das Klavier gar nicht mehr Begleitinstrument, sondern es ist die eigentliche poetische Stimme. Lassen Sie sich verzaubern von fünf Liedern von Johannes Brahms, die ein bisschen die besondere Atmosphäre des Frühlings ausstrahlen.


Und diese Liedersequenz gipfelt im hymnischen Gesang "Von ewiger Liebe":

Eisen und Stahl, man schmiedet sie um,
Unsere Liebe, wer wandelt sie um?
Eisen und Stahl, sie können zergehn,
Unsere Liebe muss ewig bestehn!

Dieses Gedicht (1864) von Josef Wenzig widmet der Sänger einem Jubel-Paar im Publikum:

"Das ist das richtige Lied zum 49. Hochzeitstag. Das ist einen Applaus wert - herzlichen Glückwunsch!"

Der Rapport zwischen Publikum und seinen Gesangs- und Klavierkünstlern könnte nicht inniger sein. Und doch ist die musikalische Reise noch nicht zu Ende. Noch einmal zu Heinrich Heine, diesmal mit kurzen lyrischen Texten, die Robert Schumann (1810-1856) zu "Dichterliebe" (1840) inspirierte, einem Zyklus von 16 Kunstliedern. Noch einmal lässt sich das Publikum auf ein musikalisches Wechselbad der Gefühle ein. "Im wunderschönen Monat Mai" passt ins Hochgefühl saisonal wie botanisch. "Ich grolle nicht" angesichts der "Nacht in deines Herzens Raum" lässt ernüchternd einen verschmähten Liebhaber durch die Köpfe der mehrheitlich betagten Zuhörer geistern - längst verschattete Episoden vielleicht in der eigenen Biografie. Und in den "Alten bösen Liedern" zieht das lyrische Ich gnadenlos und nicht ohne heiter-ironischen Unterton - für den Heine hinreichend bekannt ist - die Bilanz (s)eines Lebens: "Totenbahre", "Sarg" und "Grab" stellt es bereit für die Entsorgung aller Irrtümer und Enttäuschungen über missliche Begegnungen im holprigen Lauf des Lebens.


Andachtsstille im Kirchenraum. Ganz tief unten auf der Talsohle des Erdenlebens sind wir gelandet, im Tiefflug des Gesanges. Dennoch oder gerade deshalb: der Applaus des miterlebenden Publikums, wie ein warmer Mairegen perlt er durch den Klangraum der Kirche. Anhaltend.

Unser Künstler-Duo dadurch erfrischt nach seiner 2-stündigen Konzentration auf Kunst und Kirchengesellschaft. Überschwängliche Verbeugung und Dankesworte:

"Sie waren ein wunderbares Publikum in den letzten zwei Tagen. Hat Spaß gemacht mit Ihnen

am Wasserstraßenkreuz und jetzt hier draußen im Havelland. Eine wunderbare Weiterreise, Berlin kommt. Und so geht mein Dank auch an Ihren Reiseveranstalter in die Schweiz, das Reisebüro Mittelthurgau. Ohne ihn wären wir nicht auf so wundervolle Weise zusammengekommen."


Nun ist es fast Abend. Zwei Zugaben lang erhebt er uns noch einmal, der Gesang auf seinen Flügeln. "Ins Abendrot" wird der Kirchenraum klanglich eingetaucht. Ein wenig später auf dem Nachhauseweg am Fluss entlang sein visueller Gegenpart in der Wolkenlandschaft - zum Innehalten und Nacherleben:

Mit einem kraftvoll gehauchten "Guten Abend, gut' Nacht" - nach einer Weise von Johannes Brahms - entlässt uns Burkhard von Puttkamer bei sanften Klängen aus Katharina Landls Klaviertastatur in einen erfüllten Abend "Im wunderschönen Monat Mai": https://youtu.be/X4X0ktOfGEQ


Abspann und Entspannung vor der Kirchenmauer
Burkhard v. Puttkamer, Mutter Veronika zu Gast aus Tirol, Tochter Katharina Landl, Frank Capellan - Deutschlandradio






























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